I

da liegst du noch im schutz von langem haar
und dein gesicht ist müde von der nacht
du liegst du schläfst du träumst noch all das macht
dich schön als wäre dein geschlecht nicht klar

wie bei den engeln von van eijcks altar
ich hab schon milch geholt kaffee gebracht
gleich küss ich dich bald bist du aufgewacht
jetzt denk ich noch und jeder hoffnung bar

es muss nicht sein dass mann und frau so sehr
sich wie der eine pol zum andern reckt
und trotzdem liegst du noch in meinem bett

ja früher war die menschheit pubertär
und jung und hat die liebe grad entdeckt
petrarca schrieb ein anderes sonett

 

 

lied

spiel auf
dreh
lass sein

 

 

gesellenstück eines meisters

meine wanderjahre sind zu ende gegangen

weil mir die beine weh tun

die nägel meiner schuhe sind abgeschliffen und die sohlen durchgewetzt

um den sohlen meiner füße ein gleiches schicksal zu ersparen

habe ich ein festes haus bezogen

ein schildermaler hat mir ein kleines kunstwerk aus email und porzellan über der tür aufgehängt

da steht nun zu lesen

lehrer

und kleiner darunter

erklärungen aller art

vor allem der welt der menschen und ihrer natur

und daneben

schülerinnen und schüler werden aufgenommen

darüber wieder habe ich einen handgeschriebenen zettel angebracht

wie beiläufig

und er sieht auch genügend alt und abgenutzt aus

belegt

natürlich wollen sie jetzt alle zu mir

so bin ich lehrer

und übe mein neues gewerbe mit aller gebotenen akuratesse aus

und mit sehr viel hingabe

meine adepten liebe ich

meine schülerinnen ermutige und verehre ich

und meine kollegen verachte ich

so geht das geschäft

und es floriert

natürlich gibt es überhaupt keine erklärung der welt der natur und wovon auch immer

es genügt

die jungen menschen auf die fährten zu setzen

dann beobachte ich sie wie sie in ihr leben schreiten

oder torkeln

oder blind tanzen

vergleiche sie mit mir

und notiere die abweichungen

da sie nie sehr groß sind

denn die welt die sie erobern müssen ist vorgegeben und erlaubt nicht viel

ist große aufmerksamkeit von nöten

geringste differenzen werden schon schnell zu überwältigenden abenteuern

und ich trage dem mit viel demut rechnung

und halte diese kleinen unterschiede

die riesigen erfahrungen entsprechen

auf geschöpftem büttenpapier fest

mit einer stahlfeder

und selbst hergestellten mischungen aus tinte und tusche

und seien sie noch so unbedeutend

ich verwende eine eigens für diesen zweck erfundene kurzschrift

die keines lesen kann außer mir

und verwahre die blätter und bögen in einem panzerschrank unter eisen und beton

das ist mein ganz privates opus magnum

das selbstverständlich nie veröffentlicht wird

wenn ich einmal gestorben bin

sollen sich meine schüler und jüngerinnen in einander befehdende gruppen spalten

die über der interpretation der hinterlassenschaften

in schulen und moden zerfallen

die sich durch generationen hin streitend entwickeln

und so mein erbe

ohne es je durchdrungen zu haben

in der welt verbreiten

um diesen plan vorzubereiten

muss ich natürlich schon jetzt meine samen legen

so unterhalte ich etwa dreißig home pages

nur mit dem zweck

nicht allzu viel in s gespräch zu kommen

und meine jungen haben hier ein erstes feld für ihre äußerungen

ich lasse sie

ohne etwas dazu zu tun

in der welt spielen

statt etwas zu erklären was niemandem nützt

mache ich sie lieber mit dem gedanken der platonischen liebe vertraut

und sie danken es mir mit aufrichtiger zuneigung

und indem sie mich über ihre schritte auf dem laufenden halten

das alles geschieht aber vollkommen freiwillig

soweit von freiwilligkeit überhaupt die rede sein kann

habe ich nicht selbst aus der not

weil meine beine so geschmerzt haben

zu lehren begonnen